Da hin, wo der Himmel beginnt
Ein Fahrtenbericht aus Kirgisistan
Sechs Fahrtenteilnehmer im Alter von 17 bis 24 Jahren (Fahrtenführung 35/21) und 31 Tage auf Fahrt.
Texte und Fotos der Fahrtenmannschaft aus dem Orden der Streitwieser und aus dem Orden der Zähringer.
Prolog
Hab‘ ich da etwas gehört? Ich setze mich ein wenig auf und lausche aus dem Notbiwak hinaus: eine ruhige Nacht, diesmal keine Blitze, kein Sturm. Die dünne Luft ist klar und kalt, die ungeheuren Sterne über uns scheinen zum Greifen nah. Ich höre, wie sich wieder ein Fels vom Kamm löst und neben uns über das Geröll, den Steilhang und das Schneefeld die gut 500 Höhenmeter hinunter Richtung Gletscher in die Tiefe schießt. Nur zweimal höre ich ihn dabei auf dem Hang auftreffen. Es knistert und knack unter uns, ab und zu raschelt eine Rettungsdecke, der Wind spielt mit dem Ordensbanner. Sonst aber nichts – das war wohl doch nichts. Hier oben auf 4300m sind wir drei auf uns allein gestellt und sonst ist es totenstill. Tschu dreht sich im Schlaf neben mir, worauf sich auch Wuchtl kurz bewegt.
Das Blut rauscht mir in den Ohren und ich spüre deutlich, wie es in der Verletzung meiner Hand pocht und arbeitet. Mit der Rechten greife ich unter dem Tarp hinaus in den Steilhang und lege etwas Eis auf die blutige Linke, neben den Verband. Das tut gut.
Das Tosen meiner Gedanken setzt wieder ein und wird mich diese Nacht weiterhin nicht schlafen lassen: Hoffentlich sind die anderen drei gut abgestiegen und haben eine ebene Stelle unter dem Schneefeld gefunden, noch so einen Ausfall können wir jetzt nicht brauchen. Werden sie den Weg
nach Süden finden, werden sie jemanden antreffen, der helfen kann? Noch immer keine Schmerzen - das Adrenalin muss doch schon seit Stunden abgeklungen sein... nur kein Fieber heute Nacht, sonst steht es um mich hier nicht gut. Würde es hier überhaupt jemand herauf schaffen und uns finden? Wie lange würden wir brauchen? Wie lange wird die Verpflegung noch reichen? Werden wir die Fahrt denn noch fortführen können?
Und auf einmal dämmert unvermittelt der Morgen...
Sieben Nächte zuvor
Es ist ein drückend heißer Sommerabend in Wien, doch vor dem Gartenhaus im Schatten der Bäume lässt es sich aushalten. Darin richten sich gerade Burns und Toni für die Nacht ein. Sie sind nun endlich aus dem Schwarzwald angekommen, auch Wuchtl ist aus Linz wieder da. Er vervollständigt die Reiseapotheke mit den letzten Medikamenten und lässt die pralle Tasche in den Tiefen seines Rucksacks verschwinden. So gut waren wir noch nie ausgestattet. Wir verteilen noch die restliche Gruppenausrüstung: den Wasserfilter, den Spaten, das Tarp, Reiseführer und Fahrtentagebuch. Traditionell halten wir es seit Jahrzehnten so, dass täglich immer ein anderer darin schreibt, damit so ein möglichst vielseitiges Bild unserer Fahrten entsteht und die Eigenarten der einzelnen nicht nur das Leben der Fahrtenmannschaft, sondern auch ihren Bericht prägen.
Nun sind Mannschaft und Ausrüstung komplett. Wuchtl und Gearhals schauen sich an: Sie sehen abgearbeitet und müde aus. „Wir müssen dringend wieder auf Fahrt!“. Wir haben uns monatelang darauf vorbereitet, nun ist es endlich so weit: einen Monat nach Zentralasien!
Kurz darauf sitzen wir alle am Tisch. Die Brüder Tschu und Bico haben bei sich zuhause groß aufgekocht. Zwischen dem bedächtigen Kauen des letzten Abendmahls hier in Europa wird mal Schwäbisch geschwätzt und mal Wiener Schmäh geführt und in großer Vorfreude funkeln die Augen. Gearhals wird die Fahrt führen und schaut sich im Kreise um: Ob man mit denen auch Berge versetzen kann? Oder Pferde stehlen?
Am Tag darauf geht es mit dem Flugzeug über Istanbul nach Bischkek, in die Hauptstadt Kirgisistans, wo wir nach langer Reise und kurzer Nacht im Morgengrauen ankommen. Unsere Rucksäcke haben den weiten Weg auch auf Anhieb hierher geschafft, wir können es kaum glauben. Durch laut rufende Taxifahrer, die uns für horrende Summen in die Stadt bringen wollen, geht es zu einer unscheinbaren Marschrutka, einem der kleinen Busse, mit denen man hier sowohl in den Nachbarort als auch ans andere Ende des Landes fährt. Bico, der sich in den letzten Monaten ausgiebig mit der Sprache beschäftigt hat, wimmelt die verdutzten Männer in astreinem Kirgisisch ab: Жок, рахмат! Im Verlauf der Reise wird uns aber vor allem Russisch weiterhelfen, das vier von uns in der Schule lernen oder gelernt haben und in diesem ehemaligen Sowjetstaat jeder fließend beherrscht.
Auf der Fahrt in die Stadt rauschen die Gugaruzfelder rechts und links dahin, strahlend blauer Himmel, die stetig steigende Sonne und hinten am Horizont kleine, weiße Wolken am Himmel... oder? Nein, das sind keine Wolken... bei näherem Hinsehen erkennen wir: es sind die weiß bestäubten Gebirgszüge des Ala-Artscha-Gebirges im Süden.
Bischkek ist staubig, die stehende Hitze an diesem späten Julitag schon am Vormittag unerträglich, eine Temperaturanzeige zeigt 43° Celsius. Diese Stadt scheint kein wirkliches Zentrum zu haben, sondern vielmehr viele parallellaufende Straßen, die endlos in die vier Himmelsrichtungen streben. Wir orientieren uns, kaufen das Essen für den Marsch ein und fahren an einer mächtigen Moschee vorbei zum Busbahnhof. Kirgisistan ist schon lange kein Geheimtipp mehr. Neben Russen, die aufgrund weitreichender Sanktionen ihren Urlaub nun vermehrt in ehemaligen Sowjet-Ländern wie Kirgisistan machen, kommen hier auch gerne Europäer zum Wandern und Reiten her – hier bei den Bussen sehen wir heute jedoch keine von ihnen. Auch wenn wir wenig mit herkömmlichen Backpackern gemein haben, erkennen rundbäuchige Bauchtaschenträger, dass wir nicht von hier sind und wohl irgendwo Geld haben müssen. Die Männer hier an den neuralgischen Knotenpunkten der hiesigen Infrastruktur sind gewiefte Geschäftsleute und haben offenbar den Individualtourismus als lukratives Nebengeschäft für sich entdeckt. Es wird viel auf Russisch diskutiert und gestikuliert. Dazwischen immer wieder Frauen und Kinder, die Säcke und Taschen mit Essen und Kleidung in die kleinen Busse verladen. Uns werden unverschämte Angebote über das Zehnfache des Normalpreises gemacht, es wird uns gesagt, nur Taxis führen da hin, das sei dort zu hoch für Busse. Besonders Hartnäckige müssen mit handfesteren Argumenten von ihrem Vorhaben abgebracht werden, mit uns ein Geschäft zu machen. Als wir von einem Betrunkenen angestänkert werden, kommt unvermittelt ein älterer untersetzter Herr - ob der offizielle Bahnhofwärter oder einfach ein Zivilist, lässt sich nicht sicher sagen - und geht direkt mit einem Schlagstock auf diesen los. Der Betrunkene bringt sich fluchend noch schnell außer Reichweite und setzt sich abwartend abseits auf eine Bank, auf der er bald darauf einschläft.
Kurze Zeit später sitzen wir im richtigen Bus und fahren zum richtigen Preis gen Osten. Unser Ziel ist der äußerte Nordosten des Landes, eine Region nördlich des Issyk-Kul, des zweitgrößten Gebirgssees der Welt. Dort führt an der Grenze zu Kasachstan ein Tal in die Berge des Kungej-Alatau-Gebirges hinauf, an dessen Beginn wir uns absetzen lassen.
Kirgisen und Kirgisinnen erleben wir von Beginn an als sehr kontaktfreudig und kommunikativ und so werden wir auch hier auf unserem Weg in Gespräche verwickelt und haben gefühlt im Handumdrehen die drei Stunden Fahrt hinter uns gebracht.
Und plötzlich vor uns die weite, freie Steppe. Frische, kühle Luft und eine stete Brise empfangen uns. Es ist ein heiterer Sommernachmittag und mit einem erwartungsvollen Kribbeln in den Beinen schultern wir die Tornister und Gitarren und schlagen unverzüglich am Ende des Dorfes den Weg ins Tal ein. Es geht dem Tschong-Kemin entgegen, einem wilden Gebirgsfluss mit einem rasanten Tempo und enormen Wassermassen, die sich, vom Schlamm graublau gefärbt, wild und energisch den Weg durch das Tal ins Tiefland bahnen. In den kommenden Tagen werden wir diesem Strom entgegen bis an seinen Ursprung zurück folgen.
Wir treffen einen Kirgisen im mittleren Alter, der mit seinem Sohn vom Fischen zurückkommt. Freudig werden wir begrüßt und bekommen kleine, getrocknete Fische angeboten, die sie aus dem Fluss gezogen und in der Sonne zum Trocknen aufgelegt haben. Sie schmecken salzig, aber sehr gut. Im Gegenzug erhalten sie von uns zwei Hände voll Wiener Zuckerl, die sie neugierig aus dem Papier kletzeln und dann im Mund verschwinden lassen.
Wir tippeln die Straße entlang und finden bei Sonnenuntergang auf einer Anhöhe einen Lagerplatz. Nach dem Abendessen verschwindet jeder, von der Erschöpfung der letzten beiden Tage gezeichnet, recht schnell in seinem Schlafsack.
So geht es in den kommenden Tagen durch das weite Tal hinauf. Mittlerweile haben wir uns an unser Marschgepäck und die immer dünner werdende Luft gewöhnt und machen im Schnitt um die 30 km täglich. Die heißen Mittage verbringen wir meist im Schatten des Tarps, Bäume sind nur vereinzelt in kleinen Gruppen an der Südseite des Tals zu unserer Rechten zu sehen.
Die grüne Weite, das endlose Firmament und die an den Talrändern stark ansteigenden Gebirgszüge beeindrucken uns.
Der Marsch führt uns vorbei an den letzten befestigten Häusern und provisorischen Almverhauen der Nomaden, die hier im Gebirge vom Frühsommer bis in den Herbst ihre Kuh- und Pferdeherden weiden lassen. Immer wieder machen wir bei ihnen halt, tauschen Güter aus und unterhalten uns mit ihnen, so gut es geht. Ihre selbstverständliche, warmherzige Gastfreundschaft erleben wir im direkten Kontrast zu den unwirtlichen Bedingungen, unter denen sie hier leben. Einen großen Teil ihrer alltäglichen Bedürfnisse decken sie im Zusammenleben mit ihren Tieren ab: Nahrung, Fortbewegung, Transport und Bau von Zäunen und Behausung, teils auch Werkzeuge und Ausstattung. Das Wenige, was sie darüber hinaus zum Leben benötigen, schaffen sie mit ihren Autos oder Pferden hier herauf. Eine Kirgisin erzählt uns, dass die Nomaden im Herbst den richtigen Moment abpassen müssen, um wieder von den Almen zurückzukehren. Sie möchten so lange wie möglich von den Weiden hier oben profitieren, dürfen aber nicht zu lange im Gebirge bleiben, da im Herbst der Wintereinbruch oft sehr schnell und unmittelbar kommt und dann der Weg zurück durch den Schnee unpassierbar werden kann.
Meine Nasenspitze schaut aus dem Schlafsack und meldet: starke Windböen und sehr frische Temperatur. Ich öffne die Augen: über mir das Firmament. Eine große Zahl an Sternen hat sich dort versammelt. Mein Blick verliert sich im Nichts. Die Sterne in absoluter Stille da oben, ich genauso still hier unten. Zwischen uns der schneidende, rastlose Wind. Mir fallen die Augen wieder zu.
Als ich sie erneut öffne, sind die Sterne alle verschwunden. Ob der Wind sie fortgetragen hat? Der endlose Himmel ist zartblau eingefärbt und eine kleine Wolke hisst im Osten ihr von der Dämmerung Rosa gefärbtes Segel, um ihre Fahrt mit dem unermüdlich rasenden Wind in den Westen anzutreten.
(aus dem Fahrtentagebuch)
Es war schon hell, als ich mich aus meinem Schlafsack rausquälte. Zum Glück hat es in der Nacht nicht geregnet, doch der Tau und der Regen vom Vortag machten unsere Schuhe auch nicht trocken. Mit unseren frisch aufgefüllten Flaschen machten wir uns wieder auf den Weg in die Weite. Ich bin heute nicht so gut zu Fuß, doch bei dem weiten Ausblick kann man sich selbst nach 2000 Metern noch sehen und nicht aus den Augen verlieren.
Die Sonne steht schon hoch am Horizont, als wir einen Bach überqueren müssen. Wie selbstverständlich ziehen wir die Schuhe aus und balancieren über die Steine auf die andere Seite. Geschafft!
(aus dem Fahrtentagebuch)
Gefühlt eine Ewigkeit von der Zivilisation und dem sogenannten Fortschritt entfernt, der Natur mit all ihrer Gewalt ausgesetzt, kann es einem dabei schon mal so erscheinen, als sei hier die Zeit stehengeblieben, als hätte sich hier seit Jahrhunderten nichts wesentlich geändert, als ob die Menschen hier seit Generationen mit denselben Werkzeugen arbeiteten. Ja, und dann steht da ein freudestrahlendes Nomadenmädchen vor dir und trägt ein schwarzes Shirt auf dem groß das TikTok-Logo prangt. Neben ihr auf dem Boden kniet ihre Mutter und ist damit beschäftigt, in einem größeren Schaff die Wäsche zu waschen. Aber dieser scheinbare Bruch scheint hier kein Widerspruch zu sein. Hier in den Bergen, mehrere Tagesmärsche vom nächsten Dorf entfernt, finden sich Zeichen und Symbole der globalisierten Welt. So ist auch ein paar Tage später bei einem Nomaden zu sehen, dass es einige Errungenschaften der Menschheit aus der „großen weiten Welt da draußen“ auch hier her in dieses entlegene Tal geschafft haben, als er uns in seiner kleinen mit Asbesttafeln verkleideten Hütte stolz seine Solarzelle und seinen Strom zeigt. Man ist pragmatisch veranlagt: Was unkompliziert, sinnvoll, brauchbar oder unterhaltsam ist, wird integriert.
So entzaubern solche Begegnungen mit auch bei uns gängigen Alltagsgegenständen nur für kurze Momente unser sicherlich etwas verklärtes und romantisiertes Bild vom Einklang der kirgisischen Nomaden mit der Natur. Denn wir erleben auch, wie genau diese Errungenschaften unserer industrialisierten Welt hier immer wieder unbrauchbar sind oder an ihre Grenzen stoßen. Das Mobiltelefon, dass hier zwar jeder mit sich trägt und auch wie bei uns daheim als Symbol für Status und weltweite Vernetzung bekannt ist, ist ein schönes Sinnbild dafür, wie es hier zum netten, aber nicht lebensnotwendigen Unterhaltungsgegenstand wird, da es hier in den Bergen keinen Empfang gibt. Fehlt die Infrastruktur, dann behilft man sich mit dem Naheliegenden; bringt einen die Technik nicht weiter, nutzt man den Menschenverstand. Kinder finden sinnvollere Spiele, als ein Tiktok-Video zu machen, das sie niemandem zeigen können. Nomaden verlassen sich lieber auf ihr Pferd als auf ein fehleranfälliges Auto ohne Ersatzteile. Das kann überlebenswichtig sein, wenn etwa bei hohen Minusgraden im Winter die Technik versagt oder der im Ausland gefertigte Jeep keine Fertigkeiten und Erfahrungen darin hat, einen Menschen durch unwegsames Gelände bis in steilste Hänge zu transportieren.
Hier erleben wir immer wieder, wie Tier und Mensch zusammenarbeiten, wenn das Pferd den Reiter sicher durch den reißenden Strom ans andere Ufer bringt oder der Hüter der Herde unermüdlich mit dem Feldstecher den Horizont nach potenziellen Gefahren für seine Tiere absucht. In dieser lebensunfreundlichen Zone finden sich die Lebenden zusammen und helfen einander beim Durchkommen, sei es nun das Tier dem Menschen oder umgekehrt.
Während die restliche Fahrtenmannschaft sich aus ihren Kokons wand, fiel mir auf, dass der Kirgise des Vortags recht hatte: der Bach führte nun am Morgen viel weniger Wasser als gestern, als wir ihn durchquert hatten. Nach den ersten zwei Kilometern erwartete uns auch schon der erste Bach, den wir zu durchwaten hatten. Dieser machte uns aber keine Schwierigkeiten. Schon kurz danach wurden wir in die Behausung eines Kirgisen auf einen Chai eingeladen. Mehr als „Behausung“ konnte man das Konstrukt nicht nennen. Die Hütte bestand aus nur einem Raum in dem neben einem Bett/Tisch ein Ofen stand, in dem Kuhmist als Brennstoff genutzt wurde. Durch Bicos Sprachkenntnisse erfuhren wir einige wertvolle Informationen über unseren morgigen Aufstieg. Nach einem Ständtchen, Zigaretten und Zuckerl für den Alten, zogen wir weiter.
(aus dem Fahrtentagebuch)
Die Piste wird nun immer schmäler, bis sie irgendwann ein kaum erkennbarer Pfad ist, auf dem man nur noch von den Warnrufen der Murmeltiere begleitet wird. Oftmals pumpen wir mit unserer Wasserpumpe das Wasser aus dem Fluss, um unsere Wasservorräte nachzufüllen. Das benötigt viel Zeit, da die Flüsse so viel Sand mittragen, dass wir den Wasserfilter in der Pumpe nach jeder gefüllten Trinkflasche wieder reinigen müssen, bevor wir fortfahren können. Wir haben unseren Benzinvorrat bereits über die Hälfte aufgebraucht. Das Essenkochen benötigt mehr Zeit als gedacht, da die Luft sehr dünn geworden ist und das Wasser nicht mehr so leicht zum Kochen gebracht werden kann. Unser Marschessen ist zwar ausreichend, aber nicht sehr abwechslungsreich: Auf Hafer mit Nüssen und getrocknetem Obst folgt zu Mittag Reis oder Nudeln, die leider ein Fehlkauf waren. Sie sind aus minderwertigem Getreide hergestellt worden und wollen uns bei keinem Versuch wirklich gelingen. Kurz oder lang gekocht, früher oder später im Wasser: immer wird daraus mehr eine Stärke-Sauce, da sich die zu Nudeln gepresste Masse beim geringsten Kontakt mit Wasser aufzulösen beginnt. Am Abend folgt dann das Essen, das es zu Mittag noch nicht gegeben hat. Von den Nomaden erhalten wir immer wieder vergorene Stutenmilch, Käse und andere Leckereien, die sie hier herstellen. Einmal bekommen wir auch Ayran kredenzt, das uns ein Kirgise in einem Topf bringt und dann mit Zucker angerührt als erfrischende süßsäuerliche Abwechslung schmackhaft macht. Doch solche schmackhaften Ergänzungen unseres Marschessens sind hier heroben recht selten.
Je höher wir kommen, desto weniger Pflanzen und Tiere sehen wir, die Farben werden weniger und die Geräuschvielfalt nimmt immer mehr ab, bis uns schließlich nur noch das tosende Wasser und der stete Wind in den Ohren rauschen. Sogar den Murmeltieren ist es irgendwann zu steil und steinig und so müssen wir auch auf ihre munteren Rufe verzichten. Wenn wir nicht gerade im Gespräch vertieft sind, stapfen wir still jeder für sich den Weg bergan.
An den Felswänden über uns türmen sich dicke, dunkle Regenwolken und das Gewitter lässt nicht lange auf sich warten. Während wir auf dem letzten Flecken Wiese unsere Rucksäcke abstellen und unser Tarp über den nassen Boden einer Mulde breiten, entlädt sich über uns der Zorn der Elemente. Froh, noch vor dem Verschwinden des letzten Tageslichts unter die aufgespannte Plane kriechen zu können und in den feuchten Schlafsäcken Zuflucht zu finden, setzt der Regen seine Wasserflut fort, der Wind peitscht auf uns herab und Blitze leuchten durch die anbrechende Nacht. Erst einige Stunden später wird sich das Wetter wieder beruhigen und einem frostigen Morgen Platz machen.
Der frühe Morgen begrüßt uns klar und kalt. Ins Fahrtentagebuch wird notiert: „Nun sind die entspannten Tage vorbei. Jetzt heißt es Meter machen, und zwar Höhenmeter“. Wir klopfen das Eis von unserer Plane und packen die Tornister. Als Tagesparole gibt Gearhals ein abgeändertes Zitat von Paul Heyse aus: „Wer in sich ruht, steht gut.“
Hinter einem Bergkamm im Osten blitzt die Sonne hervor und wirft einen ersten Sonnenstrahl an die Felswand hinter uns, als wir uns in Bewegung setzen. Es braucht ein paar Hundert Meter, bis wir warmgelaufen sind und da erwartet uns schon der vorerst letzte Wildbach, den wir nun schon routiniert und sicher durchqueren. Vorbei an der letzten Blume, die in Form einer riesigen blühenden Distel trotzig der kargen Einöde widersteht, geht es weiter bergan durch das enge Tal, durch das wir einem immer kleiner werdenden Fluss entgegengehen.
Die ursprüngliche Weite, die grünen Hänge und unzähligen Herden haben nun einer grauen Geröllhalde und schneebedeckten Hängen zu beiden Seiten Platz gemacht. Die Luft ist dünn und schmeckt kalt. Die vorherrschenden Farben sind jetzt Grau, Weiß und Blau. Der Pfad schlängelt sich mal am Fluss entlang, mal geht es durch das Geröll daneben.
Als wir die Kuppe eines Hügels erreichen, liegt vor uns plötzlich der Ursprung des Flusses, dem wir nun so lange an seine Quelle gefolgt sind: ein archaisch wirkender, alter, sterbender Gletscher. Er erstreckt sich bis weit hinauf in den Talkessel und zu dem Gipfelzug, der den höchsten Kamm in diesem Gebirge bildet. Ihn gilt es zu bewältigen und zu überwinden, damit wir unser nächstes Ziel, den Issyk-Kul erreichen.
Unsere Stelle ist auf der Karte nicht ganz einfach auszumachen, da sie acht Jahre alt ist und der Gletscher in der Zwischenzeit sehr stark geschrumpft ist. Wir orientieren uns an den Hängen und Tälern, der eingezeichnete Weg zur Querung des Gletschers ist nicht auszumachen.
Aus dem Gletscher fließt unaufhaltsam das schmelzende Eis und gibt damit Staub und Gestein der letzten Jahrhunderte wieder frei; aus tiefen dunklen Löchern schießt das Eiswasser unter der meterdicken Eisdecke Richtung Tal. Auf einer großen Felsplatte im Gletscher machen wir Rast und frühstücken. Die Sonne steigt immer weiter über die bizarre Landschaft.
Um unsere Augen in dieser von Schnee und Eis blitzenden Umgebung zu schützen, setzen wir uns Sonnenbrillen auf und beginnen, den Gletscher zu überqueren. Es knackt und gurgelt unter uns. Raschen Schrittes suchen wir den Weg über die Eisdecke. Es erstaunt uns, wie sich das Wasser beim Abschmelzen aus diesem gigantischen Eisbrocken symmetrische Bahnen durch die dicke Eisschicht gearbeitet hat. Am Rand des Gletschers beginnen die Schneefelder, die ihn mit den vereisten Berghängen verbinden. Der lockere Schnee macht uns etwas argwöhnisch und vorsichtig suchen wir nach einem festen Überstieg vom Gletscher aufs Geröll. Plötzlich knackt es laut und Burns steckt unmittelbar bis zum Schlüsselbein in einer Gletscherspalte, die hier bis in unkenntliche Tiefen klaffen. Es braucht drei Mann, den Größten in der Gruppe wieder herauszuziehen.
Sicher am anderen Ende des Gletschers angekommen, beginnt nun der strapaziöse Aufstieg durch eine Geröllhalde und ein Schneefeld auf den Kamm, der uns laut Karte zu dem Pass führen soll. Es sind die letzten fünfhundert Höhenmeter, die wir zu überwinden haben.
Jeder geht für sich, wir halten Abstand, um möglichem Steinschlag durch den Vordermann ausweichen zu können und dabei die Situation besser einschätzen zu können. Immer wieder halten wir inne, um Luft zu holen. Doch auch das gewaltige Gebirgspanorama raubt uns den Atem und zollt uns Respekt ab: Wir kommen jetzt da hin, wo der Himmel beginnt. Für die meisten ist es das erste Mal auf einer solchen Höhe und über einem Gletscher. Auf der anderen Seite des Talkessels, nur wenige hundert Meter entfernt, werden auf unserer Augenhöhe enorme Wolkenformationen an den Kamm gedrückt. Sie türmen sich bedrohlich auf, doch der stete Wind aus Norden hält sie uns auf Distanz. Vermutlich regnet es jetzt dort unten im Tal und die Bäche und Flüsse quellen an von Eis- und Regenwasser.
Bico und Burns sichern sich gegenseitig mit unserem Seil. Es dauert eine gute Weile, bis wir alle das vereiste Schneefeld überwunden haben und auf dem Kamm oben stehen. Die späte Nachmittagssonne heizt auf uns herunter und wir suchen an einigen Felsen im Schatten Schutz. 4300 Höhenmeter über dem Meeresspiegel – das hat bei uns allen einiges gefordert. Wir stärken uns kurz und gehen weiter.
Nun führt uns der Weg am Kamm entlang zum Pass hinüber, der etwa 2000m Luftlinie von uns entfernt auszumachen ist. Auf der Karte ist hier eindeutig ein Pfad eingezeichnet, wir fragen uns nur, wann der zuletzt genutzt worden ist. Links und rechts geht es etwa 500 Höhenmeter über Schneefelder und Geröllfelder steil hinunter.
Langsam, einen Fuß vor den anderen gehen wir den Kamm entlang, das Geröll unter unseren Füßen gibt bei jedem Schritt etwas nach. Bis auf das Klicken und Klappern der Stiefel auf den Steinen ist es still geworden.
Hier scheint es viel wärmer zu sein, als es sein dürfte. Denn das, was das Eis durch seine Kälte zusammengehalten hat, wird durch die große Wärme nun freigelegt und lose.
Mir kommt in den Sinn, wie sich erst wenige Wochen vorher in Tirol am Fluchthorn ein großer Teil des Gipfels von selbst gelöst hat, ein massiver Bergsturz war die Folge. Infolge der immer heißer werdenden Sommer auch auf dieser Höhe, war der auftauende Permafrost nicht mehr im Stande, dem Berg die Stabilität zu bieten und so haben die Steine ihr Bindemittel, das Eis, verloren und nachgegeben. Dass es sich hier im Grunde nicht anders verhält und Pfade, die möglicherweise noch vor wenigen Jahren gut passierbar waren, nicht mehr existieren und losen Steinen Platz machen mussten, wird uns beim Vergleich zwischen Karte und Realität hier besonders deutlich.
Ich werde aus den Gedanken gerissen, als wir an einem hohen Felsen unmittelbar zu stehen kommen. Offenbar ist an der Stelle der Felsen abgesprengt, ein mindestens zwanzig Meter tiefer Abgrund schaut uns an. Hier wäre nur noch mit Seilen und Kletterausrüstung ein Abseilen möglich. Ein vorsichtiger Blick an der Felswand hinab offenbart an seinem Ende unten den Kamm, der fortführt und unweit dahinter ist der Pass nun zum Greifen nahe. Es hilft nichts – wir müssen einen anderen Weg um die Stelle herum finden und so steigen wir durch das Geröll Richtung Schneefeld ab, um an dessen Rand wieder aufzusteigen.
Aber hier kam uns ein Schneefeld entgegen und wir kamen erneut nicht weiter. Also dachte ich, man kann das ein Stück oberhalb passieren. Ich zog mich an großen Steinen nach oben. Ratsch! Unter mir brach alles weg. Es ging alles recht schnell. Gearhals drückte und stieß mich mit voller Wucht gegen die Wand, sodass ich irgendwie wieder Stand bekam. Ein Felsen flog gegen sein Bein, ein anderer gegen seine Hand, sodass ein Finger einen offenen Bruch bekam. Er flüchtete sich zu einer sicheren Stelle am Abhang und ließ sich von Toni verarzten. Mir dämmerte erst so langsam, was passiert war. Der Abhang war sicher 500m hoch, steil und aus Geröll und Schnee. Ohne Gearhals hätte ich das nicht überlebt.
(aus dem Fahrtentagebuch)
Alle haben die Unfallstelle erreicht. Obwohl wir einen langen, sehr anstrengenden Tag hinter uns haben und wirklich erschöpft sind, werden wir von einem Moment auf den anderen wieder hellwach und präsent. Es kommen uns in dieser Ausnahmesituation Erinnerungen an die Vorbereitung der Fahrt: ein warmer Frühsommertag in Innsbruck in der Ortsstelle der Bergrettung. Wir machen Übungen, gehen verschiedene Szenarien im Gelände durch und üben den Abtransport von Verletzten im abschüssigen Gelände. Wir gehen mit Matthias, einem Chirurgen und Bergretter, durch, worauf allgemein bei Notfällen und Unfällen mit Brüchen im Speziellen zu achten ist. Wir erstellen mit ihm eine Liste, in welcher Reihenfolge was zu tun ist. Hier am Berg fallen alle in eine angespannte Ruhe und Konzentration. Wir denken in dem Moment nicht an die Schwere der Situation oder an das, was sie für unsere Gruppe und die Fahrt bedeuten könnte. Wir gehen mit unserem Vorwissen und den Übungen gestärkt in die nun anstehenden Aufgaben, sind ganz im Moment. Die Reiseapotheke kommt wieder aus Wuchtls Rucksack zum Vorschein und erweist uns nun gute Dienste: Verbandszeug, Handschuhe und Desinfektionsmittel ermöglichen eine rasche Versorgung. Gearhals verzichtet auf Schmerzmittel, er möchte bei klarem Verstand bleiben, um Veränderungen an der Verletzung oder dem Kreislauf ungetrübt zu erkennen. Der gebrochene Finger wird wieder in seine natürliche Stellung zurückgebracht und mithilfe einer Kugelschreiberhülle geschient, die blutende Wunde mit Eis gekühlt und verbunden.
Natürlich ist da auch Ungewissheit und viele Fragen stellen sich. Wir entwerfen in der Kürze einen Plan in dem Wissen, dass er uns jetzt weiterbringt, auch wenn es dann anders kommen kann. Am Ende finden wir uns ja doch immer wieder. Zuständigkeiten werden verteilt, Rucksäcke umgepackt und Dokumente ausgetauscht, Personalbögen mit den wesentlichsten Informationen zu Versicherung und Person werden eingepackt, mögliche Treffpunkte und Szenarien kurz besprochen.
Die Gruppe teilt sich auf. Etwa zwei Stunden vor Einbruch der Dunkelheit machen sich Toni, Burns und Bico mit einem Rucksack auf, um Richtung Issyk-Kul abzusteigen und Nomaden zu finden.
Alles geht dann sehr schnell, denn keiner möchte noch mehr Zeit verlieren. Ein kurzes „Horridoh!“ und ein Handschlag sind unser Abschied.
Die anderen verbleiben an der Unfallstelle. Wuchtl und Tschu beginnen mit dem Spaten in den steil abschüssigen Hang direkt am Felsen eine kleine Fläche ins Eis zu hacken, auf der sie ein Notbiwak für die Nacht einrichten, während Gearhals in eine Rettungsdecke gehüllt den anderen auf ihrem Weg nachsieht.
Bico, der den Trupp anführt, notiert:
„19 Uhr: endlich haben wir den Kamm erreicht […] eigentlich ist der Ausblick einzigartig, aber für das Genießen bleibt uns keine Zeit […] Wir einigen uns, dass wir einen Abstieg über ein Schneefeld und dann über feines Geröll wagen wollen. […]
21:35 Uhr: nur das beständige Rauschen der vielen Gebirgsflüsse und das fahle Licht des aufgehenden Mondes weisen uns den Weg ins Tal […]
21:45 Uhr: Unser Abendessen ist ein paar Hände voll Erdnüsse. […]
23:39 Uhr: endlich immer wieder mal Gras unter den Füßen zu haben, ist ein unbeschreibliches Gefühl. […]
2:32 Uhr: wir kriechen zu dritt in zwei Schlafsäcke. Diese Nacht wird nicht besonders warm.“
Und auf einmal dämmert unvermittelt der Morgen...
Es ist eiskalt im Schatten des Felsens. Immer noch flattert leise das Banner über dem Notbiwak. Wir haben darin eine halbwegs warme Nacht verbracht. Geschlafen haben Wuchtl und Tschu in Summe vielleicht zwei, drei Stunden, Gearhals hat kein Auge zugemacht. Glücklicherweise hat er kein Fieber bekommen, die Hand ist noch nicht geschwollen. Da ein strahlender Tag bevorsteht, beschließen wir, den Abstieg Richtung Norden zurück auf den Gletscher zu wagen, um einen einfacheren Aufstieg Richtung Pass zu finden. Auf Hilfe ist in dieser Höhe nicht zu hoffen und hier zu verbleiben wäre gedankenlos. Das Wetter ist uns derzeit noch gewogen, kann aber jederzeit umschlagen, wie wir es schon in der letzten Woche immer wieder erlebt haben. Auch der Essensvorrat und vor allem das Benzin neigt sich dem Ende zu.
In Hinblick auf mehrere Tage, die wir noch von der nächsten Siedlung und einem Spital entfernt sind, ist die Gefahr einer Blutvergiftung am offenen Bruch und einer möglichen Amputation des Fingers gegeben.
Ein Wettlauf um die Zeit hat begonnen.
Alles, was nicht unbedingt benötigt wird, lassen wir an der Unfallstelle zurück: alle Gitarren, die Bücher, das Essen etc. Es gilt, das Gewicht so weit wie möglich zu verringern, um sicherer über das Geröll und rasch weiterzukommen.
Wuchtl, der seit dem Vortag mit seiner Höhenangst kämpft, und Gearhals, der sich die Hand frisch verbunden in die Affenschaukel seines Halstuchs gelegt hat, tragen ihre Rucksäcke durch das Geröll langsam auf den Pass hinauf und auf das Schneefeld hinüber. Tschu beschließt, die beiden verbleibenden Rucksäcke von Toni und Burns auch auf das Schneefeld des Vortags zurückzutragen, da sie von dort noch eher wieder geholt werden können. So geht er denselben Weg über den schmalen Grat dreimal hin und retour. Während er immer wieder aufs Neue einen Tornister schultert und diesen mit der stoischen Sicherheit eines Steinbocks über das lose Gestein trägt, beobachten Wuchtl und Gearhals ihn ungläubig dabei. Nach einer schieren Ewigkeit erreichen sie den Gletscher. Eine Scheibe Brot bekommt jeder, nach etwas Hafer in der Früh eine willkommene Abwechslung zu den Wiener Zuckerln, die sich jeder immer wieder mal aus dem Papier kletzelt und im ausgetrockneten Mund verschwinden lässt. Das wenige Essen, das wir noch dabeihaben, muss nun gut eingeteilt werden. Wer weiß, wie weit es zu Fuß noch ist?
Am Abend haben wir endlich den Pass erreicht und steigen etwa 500 Meter nach Süden hin ab. Beim ersten Gras unter den Füßen machen wir an einer ebenen Stelle auf etwa 3500m halt und richten das Nachtlager ein, während über den Kamm bereits ein Gewitter herunterzieht. Da die Gitarren nun fehlen, die in dieser holzkargen Gegend gerne als Stützen für das Tarp verwendet worden sind, werden auf Steinen die Rucksäcke aufgebockt und darüber die Plane gespannt. Glücklich über den Luxus von 90x180cm eigene Liegefläche und den weiteren Weg ins Tal hinunter gefunden zu haben, schlafen wir alle recht bald ein, während auf uns ein ungeheures Gewitter herniedergeht und Blitze und Wetterleuchten die Nacht zum Tag werden lassen.
Drei Tage später
Hab‘ ich da etwas gehört? Ich setze mich ein wenig auf und lausche durch die Büsche zum Ufer: leichtes Wellenrauschen und in einiger Entfernung dumpf ein paar Stimmen und das schüttende Geräusch, das Schuhe machen, wenn sie aus dem Sand gehoben werden, das langsam lauter wird. Da kommen sie also, die letzten beiden: Bico und Burns mit drei Rucksäcken geschultert.
Nach etlichen Entbehrungen findet die Fahrtenmannschaft am Ufer des Issyk-Kul wieder zusammen. Der Gebirgssee ist riesengroß und liegt still und mächtig vor uns. Jetzt wird uns klar, warum man ihn auch „Das Meer Kirgisistans“ nennt. Nach den vielen vertikalen Felswänden, Wolkentürmen und Geröllhalden tut es gut, den flachen, weiten Horizont vor Augen zu haben. Das andere Ende ist nur dort zu erahnen, wo sich weiter im Süden Himmel und Erde treffen und die weißbestäubten Spitzen des 6000m hohen Kakschaaltoo-Gebirges auszumachen sind. Doch von Bergen, so atemberaubend sie sein mögen, haben wir vorerst mal genug.
Es ist ein herzliches Wiedersehen, doch man sieht allen die Erschöpfung der letzten Tage mühelos an. Nun ist erstmal ein paar Tage Erholung angesagt. Zudem kommen neben dem gebrochenen Finger noch einige andere Verletzungen und Wehwehchen, die hoffentlich schneller auskuriert sind.
Nachdem sich im Zuge der Rückkehr in die Zivilisation in den beiden Gruppen mehrere neue Herausforderungen gestellt haben, mussten sich die beiden Gruppen nochmals teilen, sodass wir mal zu zweit oder auch allein unterwegs waren. So haben wir noch einiges erlebt und erzählen uns nun beim Essen am Feuer von den letzten Tagen. Von den Märschen durchs Tal, waghalsigen Flussquerungen, von erfolglosen Versuchen, Hilfe zu holen, vom Treffen auf Kirgisen, die uns dann die letzten 20km ins erste Dorf gebracht haben, von Tonis kurzer Karriere als Schulwart und Mechaniker in einer Schule, die während der Ferien renoviert wird und wo er erschöpft und angeschlagen unterkommen und aushelfen konnte, vom abenteuerlichen Besuch Wuchtls, Tschus und Gearhals‘ in einem alten kaputten Krankenhaus, das in einem unscheinbaren Plattenbau untergebracht war und in das man das Verbandsmaterial selber mitbringen musste, vom neuerlichen Aufstieg Bicos und Burns zurück auf den Kamm, an dem unsere Fahrt ihre Wende nahm, um die verbliebenen beiden Rucksäcke zu holen, die Tschu dort vor einigen Tagen hingeschleppt hatte und wir erzählen von wenig Nahrung, wenig Schlaf und all den skurrilen Momenten dazwischen.
Ich traute meinen Augen nicht. Türkisfarbenes Wasser, blauer Himmel, Sonnenschein, viel Ruhe mit einer leichten Windbriese. Ich hatte für einige Minuten ein Dauergrinsen auf den Lippen, so groß war die Freude… […] der Abend endete gemeinsam zu sechst am Lagerfeuer mit Fahrtennudeln.
(aus dem Fahrtentagebuch)
Auch wenn wir uns das mit dem Bergeversetzen nicht ganz so wortwörtlich vorgestellt haben: Hier steht eine zwar noch erschöpfte, aber starke und bewährte Mannschaft, die nun nach dieser kräftigen Feuertaufe für vieles gewappnet ist. Umso mehr schmerzt es da gerade zu diesem Zeitpunkt, dass sie so nicht weiter existieren wird. Gearhals, dessen offener Bruch eine schwere Verletzung der Hand darstellt, die nicht sofort geschient und eingegipst werden kann, solange die Wunde nicht verheilt ist, muss diese täglich versorgen lassen, da die Gefahr einer Sepsis weiterhin besteht. Diese Umstände machen es ihm unmöglich, die Fahrt weiterzuführen. So übergibt er nach nur zwölf Tagen die Fahrtenführung im Zuge einer Rede an einem Feuer am Ufer des Issyk-Kul an Bico, der die Jungs die restlichen knapp drei Wochen durch Kirgisistan führen wird.
Während Gearhals schweren Herzens nach Westen den Rückweg antritt, geht die Fahrt für die anderen weiter in den Osten. Auf den Tiermärkten von Karakol, die zu den größten des Landes zählen, erleben wir die laute, geschäftige Welt der Pferde- und Viehhändler. Von dort geht es weiter in den Südwesten. Immer wieder treffen wir dabei auf Einheimische, der Kontakt fällt leicht und es werden teils angeregt Gespräche geführt.
Bei einem Fußballspiel mit der örtlichen Jugend zieht sich Bico in Naryn eine Verletzung am Knie zu, die ihn für einige Tage nicht weitermarschieren lässt. Während die anderen ihren Weg fortsetzen, kommt Bico zwischenzeitlich durch Vermittlung einer Dame bei einer Witwe und ihren vier Töchtern unter. So lernt er die Kultur des Landes aus einem Familienverband heraus nochmals besser kennen.
Die Gastgeberin ist eine rüstige Frau im mittleren Alter. Sie begrüßt Bico lächelnd vor dem Haus, das durch ein rotes, quietschendes Tor von der Straße getrennt wird, daneben stehen ein Rohbau und Ziegel. Nachdem der Ehemann vor zwei Jahren überraschend verstorben ist, wurde das Bauvorhaben nicht weitergeführt und nun steht alles und harrt der Dinge.
Bico betritt das Haus durch zahlreiche Türen und über einen knarrenden, mit Teppichen verzierten Fußboden.
Schnell wird ein Tisch gedeckt: Honig und Marmeladen in hübschen Gläsern, Brot, Butter auf kleinen Tellern, eine Teekanne und ein Fingerhut großer Metallfilter, ein Krug Milch, Trinkschalen, silbernes Essbesteck und heißes Wasser stehen bereit, […] Die Mutter bittet zu Tisch […] Ihre jüngeren Töchter werfen mir immer wieder flüchtige Blicke zu. So ganz vertrauen sie dem Fremden, der mit ihnen zu Abend isst, wohl noch nicht. Bei der älteren Tochter ist das Gegenteil der Fall. Wir sprechen hier und da ein paar Sätze auf Englisch oder sogar Deutsch, doch meistens auf Russisch.
In der Zwischenzeit habe ich alle Köstlichkeiten probiert, es schmeckt mir hervorragend und kaum setze ich meine leere Tasse ab, werde ich freundlich, aber bestimmt dazu aufgefordert, sie gleich wieder nachfüllen zu lassen.
(aus dem Fahrtentagebuch)
In dem mehrheitlich muslimisch geprägten Land wird er nur wegen der besonderen Umstände in den reinen Frauenhaushalt als Gast aufgenommen, sonst sind hier Männer nur tagsüber zu Gast.
Etikette und Sitten sind hier tief in das Familienleben verankert, was uns Bico später an einigen beispielhaften Momenten erklärt: die Töchter werden ihm dem Alter nach absteigend vorgestellt, die Mutter ist das Familienoberhaupt und spricht mit ihnen meist in Befehlsform, dem Imperativ, Körperkontakt zwischen Mann und Frau wird vermieden, wo möglich. Bico wird aber auch wie ein Familienmitglied behandelt: er isst mit der Familie am selben Tisch und darf in ihrem Haus nächtigen. Nicht mal langjährige Freunde der Familie dürfen das. Dieser Gast hat also einen anderen Status, erhält einen Vertrauensvorschuss. Ob das damit zu tun hat, dass er aus dem Ausland, einer anderen Kultur und Religion kommt? Wer weiß... Da er aber ein Mann ist, darf er im Haushalt und beim Essen jedenfalls keinen Handgriff tun, sondern wird selbstverständlich bedient.
Die Herrin des Hauses ist Englischlehrerin und somit auch mit westlicher Kultur und ihren Bräuchen vertraut. Ist sie mit ihren Töchtern und Bico allein, zeigt sie Emotionen und ist nahbar und herzlich. Sie führt den Haushalt und ist Alleinerzieherin, weiß sich zu helfen und steht für ihre Töchter ein. Sie wirkt nicht so, als sei sie auf den Mund gefallen, schüchtern oder unterwürfig. Als zwei ältere männliche Freunde der Familie zu Besuch sind, lernt Bico aber eine neue Seite dieser Frau kennen: Nun sitzen alle Männer an einem Tisch, doch der Gastgeberin und ihren Töchtern geziemt es offenbar nicht mit den Männern in den eigenen vier Wänden am selben Tisch zu sitzen. Augenblicklich scheint die Herrin des Hauses zu einem dienenden und stillen Schatten ihrer selbst geworden zu sein.
Die Fahrt geht weiter vom Südosten des Landes Richtung Westen unweit der Grenze zu China entlang. Hier finden wir weite Steppe, in der uns Kamele gelangweilt nachsehen und Greifvögel neugierig beäugen.
Der etwas dickliche Polizist, der da auf mich zukommt, ist genauso echt, wie die anderen nächtlichen Gestalten, die da aus den Tiefen der Nacht, um kurz nach drei Uhr früh, auftauchen.[…] »нельзя!« („Nelsja!“), schreit eben dieser Polizist [und nimmt eines meiner russischen Lieblingswörter in den Mund, dass so viel bedeutet wie: man darf nicht, man soll nicht, es geziemt sich nicht].
(aus dem Fahrtentagebuch)
Ob man mit uns gut Pferde stehlen kann? Diese Frage von Gearhals muss hier wohl unbeantwortet bleiben…
Was jedenfalls gesagt werden kann: wir sind nun so richtig im Land angekommen und haben bei den vielen Fragen doch auch ein paar Antworten gefunden: wie kommen wir weiter, wo bekommen wir was, an wen werden wir uns wenden, wie müssen wir fragen und wie werden wir uns für die Gastfreundschaft und Hilfe dankbar zeigen.
Es geht weiter nach Norden und Bischkek zurück. Dort kommen wir bei einer kirgisischen Familie unter, die uns inmitten ihrer vielen kleinen Kinder herzlich aufnimmt. Wir durchwandern die Stadt und verbringen den letzten Tag auf einem der größten Basare des Landes, dem Osch-Basar. Man taucht hier ein in eine eigene Welt, eine Stadt in der Stadt, mit ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten. Der Basar scheint wie ein großer Organismus zu sein, mit einer Unzahl an engen, dunklen Gängen, Hallen, Kreuzungen, Korridoren, Ausgängen und kleinen Plätzen. Überdacht mit Tüchern, Pappe, Plastik, Wellblech und Holz, verliert man sich schnell in kleinen Straßen, in denen jeder Händler eine kleine Nische besitzt und geduldig auf Kunden wartet, während neben und über ihm meterlange Reihen mit Waren gehängt, gestapelt, gestaffelt und gelegt werden. Es ist sehr leicht, sich hier zu verlieren und neugierig vom Treiben, lassen wir uns mitziehen durch die pulsierenden Wege und Gässchen. Dumpf und mild geht es durchs Kleidungsviertel, in dem sich Kunden in kleinen Nischen vor winzigen Spiegeln drehen und wenden, Stoffe befühlen, an Kragen und Knöpfen herumzupfen, während die Verkäufer schnell die nächsten Stücke bringen, den Spiegel noch etwas höher halten und dort nochmal den Preis etwas nachbessern. Mehrere Stunden verbringen wir in diesem Labyrinth, streunen an Obst- und Gemüseständen vorbei, beobachten Schuster und Sattler, feilschen um Gewürze und Kleidung und plauschen mit Händlern bevor wir vollbepackt mit allerlei Zeug, berauscht von den Düften und vollgesogen mit Eindrücken den Weg zum Flughafen antreten.
Epilog
Zurück am Ufer des Issyk-Kul.
Wir genießen den letzten Abend zusammen auf Fahrt. Das gewaltige Ordensfeuer ist bei stetem Wind nun vollständig heruntergebrannt und nach einigen Liedern ohne Gitarren wärmen wir uns an der Glut den Rücken, während wir auf das stille Wasser des Sees hinausblicken. Es ist der erste Abend, an dem wir nach den Strapazen der letzten Tage wieder gesellig beisammensitzen und auch mal wieder über vieles, das einen beschäftigt und das man in den letzten Tagen mit sich herumgetragen hat, redet.
Was bei unseren Gesprächen ins Auge springt, ist, wie sich jeder in dieser letzten Woche gewandelt hat, wie jeder an Reife gewonnen hat. Man merkt im Miteinander, wie die Gruppe nicht nur zusammengewachsen ist, sondern nun eine eingeschworene Mannschaft bildet, die eine eigene Dynamik entwickelt hat. Die Kommunikation hat sich verändert. Wir sind uns in dieser Zeit vertrauter geworden, erkennen schon an kleinen Zeichen in der Körpersprache, was der andere ausdrücken möchte, da wir ihn schon in unzähligen Situationen beobachtet haben, Eigenheiten und Verhalten aus den verschiedensten Reaktionen sind uns viel klarer und schneller verständlich. Doch da ist noch etwas.
Jeder hat sich in den letzten Tagen, ob er wollte oder nicht, weit über die eigenen Grenzen hinausbegeben und ist somit unweigerlich auch über sich selbst hinausgewachsen. Es sind in diesem Fall besonders fordernde Momente gewesen, die uns viel abverlangt haben und die in vielerlei Hinsicht Neuland waren. Dieses Entdecken eines unbekannten Gebiets jenseits bisher bekannter, körpereigener Grenzen hat uns in einen Zustand versetzt, den ich so im Gruppenerleben nur von Fahrt kenne. Für manche ist es ein fast meditativer Zustand der wortwörtlichen „Selbstlosigkeit“, in dem man sich selbst loswird und ganz im Moment, in einem Bewusstseinszustand aufgeweckter Präsenz ankommt. Dabei ist allein die Gegenwart, der Moment, in dem man sich gerade befindet oder die Tat, die man gerade ausführt im Mittelpunkt aller Sinneswahrnehmungen. Alle Gedanken und Sorgen an Zukunft und Vergangenheit sind vergessen. Es ist vielleicht das, was man allgemein hin als Geistesgegenwart versteht. Ob diese Form der „Selbstlosigkeit“ auch einen Zustand begünstigt, der als altruistisches Handeln verstanden werden kann (so, wie wir Selbstlosigkeit ja gemeinhin verstehen) und dann in einer extremen Situation wie der am Berg dazu führt, dass man im Bruchteil einer Sekunde hin greift, anstatt auszuweichen, lässt sich nicht leicht beantworten. Vielleicht gehört da noch mehr dazu. Ganz aus der Gruppe heraus, im Moment und in einem Zustand äußerster Konzentration und Ruhe zu sein hilft jedoch sicherlich sehr dabei.
Um an seine Grenzen zu gehen, muss man gut vorbereitet sein. Wir gehen nicht leichtfertig in Situationen, die wir nicht einzuschätzen im Stande sind, doch finden wir oft jene, die uns herausfordern aus dem Bekannten und Vertrauten, die uns wachsen lassen und Lebenserfahrung zuteilwerden lassen.
Dieses Phänomen wird aber nicht nur in solch extremen Situationen deutlich. Diese Erfahrung wird auch schon von den Jüngsten auf ihrer ersten Fahrt gemacht, wenn sie nach einem anstrengenden Aufstieg und der quälenden Frage: „Wann sind wir endlich da?! Ich kann nimma…“ den Blick vom Gipfel zurück ins Tal schweifen
lassen und mit Stolz sagen: „Das alles bin ich selbst gegangen!“.
Jeder findet seine eigenen Worte und Weisen, der ganz persönlichen Bedeutung von Fahrt Ausdruck zu verleihen. So bunt und vielseitig, wie sich die Gedanken über unsere Fahrten und Erlebnisse in unseren Fahrtentagebüchern, Liedern und Gedichten wiederfinden, so vielschichtig und unterschiedlich ist auch ihre Bedeutung für jeden. Wie das Auf-Fahrt-Sein an sich auch nie ein abgeschlossener Prozess ist, so klingt auch jede Fahrt in uns weiter nach und entwickelt ihre Themen und Bewegungen in uns fort. Daher kann ein allgemein gültiges Fazit zur Fahrt wohl niemals vollständig, allumfassend und abschließend sein oder gar die ungeteilte Meinung der gesamten Fahrtenmannschaft widerspiegeln.
Auf Fahrt geht man meist nicht unvorbereitet oder zufällig, es ist immer eine bewusste Entscheidung, den Tornister zu packen und die Stiefel zu schnüren. Für manche fühlt es sich ähnlich wie Hunger an, der gestillt werden möchte. Ganz gleich, ob die einzelne Motivation getragen ist von Neugier, von Ehrgeiz, von Abenteuerlust, von Pflichtbewusstsein oder einer tiefen inneren Sehnsucht nach der Weite, sie findet am Ende immer Eingang in die entstandene Fahrtenmannschaft und bringt auch diese mit in Bewegung, gibt ihr ein Ziel, einen Drall, einen Zug.
Verlässt man das Haus, um auf Fahrt zu gehen, wird diese in gewisser Weise zu einem Türrahmen oder Portal, der den Schritt von der eigenen Welt hinaus in eine stets neue und unbekannte markiert. Die Überwindung persönlicher Grenzen kann ein solcher Schritt sein und ist oft eine der ersten Erfahrungen, die man auf Fahrt macht. Unerheblich, wie oft man schon auf Fahrt war, keine gleicht der anderen und immer lernt man etwas Neues dazu. Die Fahrt öffnet dabei Tür und Tor in vielerlei Hinsicht: vom organisierten Alltag ins unberechenbare Abenteuer, von urbanem Chaos in natürliche Ordnung, von gewohnter Topologie in unbewohnte Umgebung, vom Mikrowellenfraß zum am Feuer gekochten Abendmahl, von den eigenen vier Wänden in die Jurte eines Nomaden, vom Behütetwerden zur Selbstständigkeit, von der Weltanschauung zum Welt-Anschauen.
Fahrt, das bedeutet in erster Linie Komfort zurückzulassen, Bescheidenheit und Schlichtheit zu bevorzugen, voller Neugier und Vorfreude Strapazen auf sich zunehmen, vorbehaltslos einzutauchen in Unbekanntes, Sprache zu überwinden und für sich neu zu entdecken, Kontakt herzustellen, an seine Grenzen zu stoßen, Hilfe anzunehmen und nicht zuletzt bedeutet es, in der Gruppe zu denken.
Während bei Individualreisegruppen, bei denen es sich oft um eine lose oder willkürliche Zusammensetzung Einzelner handelt, die in einer Gruppe reisen, in der aber dann jeder das macht, worauf er gerade Lust hat, die persönliche Freiheit mit der Erfüllung egoistischer Bedürfnisse oder mit der Beschäftigung eigener Befindlichkeiten verwechselt wird, erlebt sich das Individuum auf Fahrt durch die Fahrtenmannschaft. In der Gruppe werden die Gespräche geführt, Themen verhandelt, Entscheidungen gefällt, Herausforderungen bewältigt, Erfahrungen gesammelt, Freude und Leid geteilt, Erlebnisse mitgenommen und gemeinsam erinnert.
Auf Fahrt bilden Eigeninitiative und Werte, wie Verantwortung und Treue gegenüber der Fahrtenmannschaft, Verbindlichkeit, Selbstständigkeit und Zuverlässigkeit die zentralen Grundpfeiler des Miteinanders. Die Fahrt bietet sowohl inhaltlich als auch personell den Rahmen, in dem dieses Erleben erst möglich wird. Im Fahrtenverbund ist es jedem einzelnen möglich, die Herausforderungen zu meistern und Erfahrung und Rückhalt zu finden, Orte und Menschen kennenzulernen auf eine Art, wie es in dem Alter allein und auf sich gestellt oft nicht möglich wäre. Die Freude über Errungenes, selbst Erkämpftes wird in der Gruppe multipliziert und dabei noch greifbarer.
Es kommt vor, dass wir hungrig sind, doch niemals sind wir unerfüllt.
Fahrt bedeutet immer auch, dass wir unseren eigenen Weg gehen - nicht nur im übertragenen Sinn, sondern ganz wortwörtlich. Und wenn das bedeutet, fernab von Touristenzentren, Hotelanlagen, Feriendomizilen und Campingplätzen dem Lauf eines Flusses durch karge Wiesen in die Berge zu folgen, und wenn wir dabei in entlegenen Behausungen auf Nomadenfamilien treffen, gemeinsam Essen, Lachen und Musizieren und wenn es dann auch mal bedeutet, in die nassen Sachen schlüpfen, den Gürtel enger zu schnallen oder gar dem Tod ein Schnippchen zu schlagen und sich kurz darauf am Ufer eines irdischen Paradieses wiederzufinden - dann sind wir wieder auf Fahrt.